KreisLandFrauenVerband Ostholstein

Ostholsteiner Landfrauen besuchen ein verkanntes Land - Rumänien

Kronstadt (Brasov) wurde von den Ritterbrüdern des Deutschen Ordens im frühen 13. Jh. gegründet, die Stadt war neben Hermannstadt das kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Auf Einladung des ungarischen Königs siedelten diese seit dem 12. Jh. in der Region und bildeten bis ins 19. Jh. die Mehrheit der Stadtbevölkerung.

 

Vom Katharinentor aus, einem Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung, gingen wir zunächst zur Schwarzen Kirche, zu deren Fuß gerade eine Gruppe Sträflinge mit Restaurierungsarbeiten beschäftigt war. Die nach einem Brand rauchgeschwärzten Mauern gaben der einstigen Marienkirche ihren Namen. Die vielen orientalischen Gebetsteppiche im Inneren dieser gotischen Hallenkirche vermitteln eine ganz besondere Atmosphäre. Ansässige Kaufleute brachten die fein gearbeiteten Teppiche von ihren Handelsreisen aus Kleinasien mit und machten sie der Kirche zum Geschenk.

Nur wenige Schritte von der Kirche entfernt liegt der Rathausplatz. Das alte Rathaus, heute ein Museum, gilt als weiteres markantes Zeichen der Stadt.

 

Das nächste Etappenziel war Sambata de Sus, wo wir Rumäniens größtes Lipizzaner-Gestüt besichtigen konnten. Wir sahen über 70 Hengste in langer Boxenreihe stehen, die Stutenherde mit einigen Fohlen befand sich auf einer weitläufigen Wiese hinter den Ställen, wir standen mitten unter den ruhigen Tieren.

 

Durch die Ostkarpaten fuhren wir Richtung Norden. Wir flanierten am Roten See, auch „Mördersee“ genannt, heute ein beliebtes Ausflugsziel. Seine Entstehung verdankt er einem Felssturz im Jahr 1837 in das Flüsschen Bicaz. Noch heute ragen die natürlicherweise konservierten Baumstümpfe aus dem See.

Unweit des Roten Sees zog uns die Bicaz-Klamm mit ihren bis zu 300 m hohen Felswänden in ihren Bann. Wir durften sie zu Fuß erleben.

 

 

Als nächstes steuerten wir das Kloster Agapia in der Region Moldau an. Es gilt als größtes Nonnenkloster Europas. Zum Kloster gehören auch die Dorfhäuser mit ihren Gärten, in denen nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch einige Blütenpracht zu bewundern war. Berühmt ist das Kloster für seine Teppich- und Stickereiarbeiten. Von den Klosterschließungen der kommunistischen Zeit ausgeschlossen, produzierte das Agapia Kloster Teppiche für Ceausescus Palast in Bukarest.

Nach dem Klosterbesuch fuhren wir weiter in die Bukowina, d.h. ins „Buchenland“, wo wir in Radautz, wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, übernachtet haben.

Am Abend war „public viewing“ an der Bar angesagt, da Deutschland sein erstes Spiel der Fußballeuropameisterschaften gegen Portugal zu bestreiten hatte. Zum Glück hat Deutschland das Spiel gewonnen, was die allseits glänzende Laune noch verstärkte.

Der Besuch der ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommenen Moldauklöster war sicherlich ein besonderer Höhepunkt dieser Reise.

 
 

 

Im Kloster Moldovita erläuterte uns Schwester Tatjana mit größtem Enthusiasmus und Nachdruck die Symbolik und Bedeutung der wundervollen Außen- und Innenbemalung der Kirche aus dem Jahr 1537. Besonders bewundernswert ist die Frische und Lebendigkeit der Farben. Umgeben ist die Kirche von dicken Wehrmauern mit Türmen.

Beim Kloster Voronet wurden wir von einem kräftigen Gewitterschauer überrascht, aber das vorgezogene Dach an der Westseite der Kirche schützte nicht nur Fresken, sondern auch uns. An dieser Seite ist das Jüngste Gericht dargestellt. Nicht zu übersehen ist der Feuerstrom der Hölle, wo der Satan wartet, während auf der anderen Seite Engel ihre Instrumente spielen und die „Guten“ ins Paradies geleiten. Dieses Kloster war im Mittelalter ein Zentrum für Kunst und Kultur. Das brillante Blau seiner Malereien ging als „Voroneter Blau“ in die Künstlerfachsprache ein.

 

Wir verließen die Bukowina und kehrten nach Transsilvanien zurück.
Durch wunderschöne Mittelgebirgslandschaft machten wir einen Abstecher zum angeblichen Schloss Dracula, wo seines Schöpfers, des Iren Bram Stoker, gedacht wird. Dieser nahm vermutlich den walachischen Fürsten Vlad III Dracula, der "Der Pfähler" genannt wurde, weil er seine Feinde lebendig auf Pfähle spießen ließ, zum Vorbild seines Vampir-Romans.

Neumarkt am Mieresch (Targu Mures) ist die Hauptstadt der Szekler, einer alt eingesessenen ungarisch sprechenden Minderheit, die ebenso wie die Siebenbürger Sachsen lange weitgehende Rechte besaßen. Mit den Rumänen verbindet sie bis heute keine herzliche Freundschaft.

Das Wahrzeichen der Stadt ist die majolikagedeckte Präfektur.

Als Überraschung des Nachmittags haben wir auf dem Landgut Ganesti rumänische Weine probiert und so manche Flasche wechselte danach ihren Besitzer.

Bazna wurde als Baaßen bereits 1302 urkundlich erwähnt. Es ist seit 1843 ein Kurort, weil dort Mineralsalz haltige Quellen gefunden wurden.

Mit Pferd und Planwagen ging es durch das beschauliche Dorf, vorbei an der alten Wehrkirche hinaus auf die Weiden, wo die Wasserbüffel und Rinder der Dorfbewohner gemeinsam von einem Hirten und seinem Sohn gehütet wurden.

 

Birthälm (Biertan), heute eine 1600-Seelen-Gemeinde, stand zu Beginn des 16.Jh. kurz vor der Erhebung zur Stadt, Handwerk und Weinbau florierten. In dieser Zeit erhielt die Kirchenburg ihre heutige Gestalt, sie war dann fast 300 Jahre lang der Sitz des evangelischen Bischofs von Siebenbürgen. Imposant erhebt sie sich auf einem steilen Hügel mitten im Ort, das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ bekommt hier eine sehr unmittelbare Bedeutung. Die gotische, turmlose Hallenkirche wird von 3 Ringmauern sowie 8 Türmen umgeben. Jeder Turm diente außer der Verteidigung einem anderen Zweck, im „Katholischen Turm“ wurden die Messen gelesen, es gab einen Rathausturm, einen Speckturm und andere mehr. Ein Geheimgang führte hinab ins Dorf, so dass die Burginsassen mit Lebensmitteln und vor allem mit Wasser versorgt werden konnten.
Als besonderer Schatz der Kirche gelten u.a. der mittelalterliche Flügelaltar, die aus einem einzigen Sandsteinblock gefertigte Kanzel mit filigranen Steinschnitzereien und die Sakristeitür, die mit 19 Riegeln und einem automatischen Verschluss raffiniert ausgestattet ist.

 

 

Neben der Kirche befindet sich noch das sogenannte Scheidungshaus. Hier wurden scheidungswillige Paare eingeschlossen, und zwar nur mit einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl, einem Teller usw. Sie mussten so lange dort bleiben, bis sie wieder von ihrer Trennung absehen wollten. So wurde die Scheidungsrate extrem niedrig gehalten. Wir konnten oben nicht nur das beeindruckende Weltkulturerbe, sondern auch eine wunderbare Aussicht genießen.

Schäßburg (Sighisoara) wurde als sechste der sieben Burgen im späten 12 Jh. von Siebenbürger Sachsen gegründet. Vom mittelalterlichen Stadtbild ist Vieles erhalten geblieben. In der Oberstadt siedelten die Sachsen, in der Unterstadt Rumänen, Ungarn und Juden. Die Oberstadt besteht aus dem Burgberg und dem noch höher gelegenen Schulberg. Das herausragende Wahrzeichen der Stadt ist der Stundturm. Das eingebaute Uhrwerk ist mechanisch mit einem Figurenspiel gekoppelt, das den Stunden- und Tageswechsel begleitet. Die anderen Türme der Stadtbefestigung tragen die Namen der Zünfte, von denen sie erbaut, instandgehalten, bemannt und verteidigt wurden. (u.a. Seiler-, Gerber-, Kürschner- Zinngießertum). Der Marktplatz ist von schönen Patrizierhäusern gesäumt, hier soll angeblich Vlad III (der Pfähler) geboren worden sein. Auch an Hermann Oberth wird gedacht, ein - vielfach verkannter - Pionier der Raumfahrttechnik, der hier das Gymnasium besucht hat.

Über die überdachte Schülertreppe stiegen wir zur Bergschule (heute das Deutsch-Rumänische Joseph Haltrich- Lyzeum) und zur Bergkirche auf. Sehr interessant war auch der leicht verwilderte Bergfriedhof mit seinen alten Grabsteinen mit meist deutschen Inschriften.

 

Hermannstadt (Sibiu) war Zentrum für Politik, Verwaltung, Handel, Kirche und besaß die größten Befestigungsanlagen im alten Siebenbürgen. 3 - teilweise heute noch erhaltene – Mauerringe, 39 Türme und mehrere große Tore schützten die Stadt. In der Oberstadt lebten Adel, wohlhabende Kaufleute und die Vorsteher der Zünfte, in der Unterstadt die Handwerker. Es ist wohl vor allem dem tatkräftigen, im Juni 2012 zum vierten Mal wiedergewählten Bürgermeister Klaus Johannis zu verdanken, dass sich Hermannstadt heute mit sanierter Altstadt so darstellen kann, dass sie 2007 Kulturhauptstadt Europas wurde.

Rathaus, Brukenthal-Palais (heute Museum), das Stadthaus, Garnisonskirche und der Rathausturm geben ein prächtiges Bild.

Ein Schmuckstück ist die Lügenbrücke, eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Um die Brücke ranken mancherlei Legenden. So soll sie zusammenbrechen, wenn auf ihr eine Lüge ausgesprochen wird. Uns hat sie jedenfalls standgehalten.

Die die Altstadt überragende evangelische Stadtpfarrkirche mit ihrem bunten Majolikadach ist das Wahrzeichen der Stadt. Die vier Ecktürmchen des Kirchturms symbolisieren die städtische Blutgerichtsbarkeit, d.h. das Recht, Verbrechen durch Verstümmelungen oder die Todesstrafe zu bestrafen.

Allzu früh wurde es Zeit, sich von Hermannstadt zu verabschieden. Der Tag endete in Bukarest bei einem Folkloreabend mit Musik- und Tanzdarbietungen.

Am letzten Tag haben wir uns noch in Bukarest umgesehen. Im Mittelpunkt unserer Besichtigung stand das berühmteste und umstrittenste Gebäude von Bukarest, der Parlamentspalast. Dieser Palast mit 65.000 qm Grundfläche ist in Stein geformter Größenwahn Ceaucescus. Um Platz für das Bauwerk der Superlative zu schaffen, zu dessen Gesamtkomplex auch neue Plätze und Alleen gehören, wurden Ende der 1970er Jahre teilweise historische Wohnhäuser mit rund 40.000 Wohneinheiten, ein Dutzend Kirchen und drei Synagogen abgerissen und Teile der Altstadt zwangsgeräumt. 20.0000 Arbeiter und 700 Architekten arbeiteten in drei Schichten 5 Jahre lang, um das „Haus des Volkes“ zu errichten.

Heute sind hier das Parlament, der Senat, ein Konferenzcenter und das Nationalmuseum für Zeitgenössische Kunst untergebracht. Die Unterhaltung des Gebäudes verursacht allerdings immense Kosten.

Nach der Palast-Führung fuhren wir weiter, vorbei am ehemaligen Königspalast, von dessen Dach Ceaucescu am 22.Dezember 1989 mit einem Hubschrauber geflohen war, zum Metropoliten-Hügel.

Hier haben wir uns die Patriarchenkirche aus dem 17. Jh. angesehen.

Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche ist die zahlenmäßig zweitgrößte selbstständige orthodoxe Kirche der Welt. Ihr gehören etwa 87% der rumänischen Bevölkerung an. Seit dem Sturz Ceaucescus erlebt die Kirche wieder einen großen Aufschwung.

 

Vom historischen Zentrum der Stadt hat Ceaucescu nicht viel stehen lassen, außerdem hatte es im Jahr 1977 ein verheerendes Erdbeben gegeben. Das eine oder andere Kleinod ist aber doch noch zu finden.

Nach dem Mittagessen in folkloristischem Ambiente wurde es Zeit für den Rückweg.

Unser Fazit der Reise: Bedenkenträger haben die Reise in ein wunderschönes und interessantes Land versäumt, in dem man sich frei bewegen kann. Natürlich gibt es noch viel mehr zu entdecken, als wir in der kurzen Zeit sehen konnten. Die Reise war ein Abstecher in den Sommer, den wir zu Hause anschließend nicht mehr so recht hatten. Die Gruppe war aufgeschlossen und ausgesprochen harmonisch. Es war daher eine rundum gelungene Reise, die uns nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

Dr. Dorle Tischbirek

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